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Das Wort als Türöffner

Krankenhausseelsorger Johann Grabenmeier ist ein Türöffner: Auch die Kraft des Wortes kann Türen für neue Lebensperspektiven öffnen.

„Glaube ist für mich Lebenshilfe“

Nach sieben Jahren im St. Josef-Stift geht Krankenhausseelsorger Johann Grabenmeier (65) Ende August in den Ruhestand. Als ausgebildeter Pastoralreferent (Diplom-Theologe) war er Nachfolger von Pastor Fritz Hesselmann und damit zugleich Pionier, denn erstmals in der Geschichte des St. Josef-Stifts lag die Seelsorge für die Patienten nicht mehr maßgeblich in den Händen eines Geistlichen und der Ordensschwestern. Bis zum Jahr 2010 hatte Grabenmeier mehr als 30 Jahre in Gemeinden gewirkt, dann kam der Ruf nach Sendenhorst. Im Interview schaut er zurück.

Wie führte Sie der Weg damals ins St. Josef-Stift?

Johann Grabenmeier: Als das Bistum mich zum 15.9.2010 ins St. Josef-Stift in die Krankenhausseelsorge berief, war es keine Liebe auf den ersten Blick. Ich war 30 Jahre als Pastoralreferent im Gemeindedienst in Bockum-Hövel, daneben über 20 Jahre als Supervisor und nur am Rande in der Krankenseelsorge tätig gewesen. Das Bistum wollte mich aufgrund meiner Erfahrungen hier einsetzen. Ich habe dann noch die zweijährige Ausbildung zum Krankenhausseelsorger gemacht. Mit einem 20-Prozent-Anteil meiner Stelle bin ich im Bistum auch Supervisor.

Wie hat sich Ihr Verständnis von Krankenhausseelsorge verändert?

Johann Grabenmeier: Die priesterliche Krankenhausseelsorge, die seit der Gründung des St. Josef-Stifts im Haus Tradition war, ist stark auf die Liturgie und die sakramentale Versorgung ausgerichtet. Für mich steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen im Vordergrund und der Versuch, aus der Perspektive des Glaubens Antworten zu finden und Anregungen zu geben für die Herausforderungen des Lebens. Glaube ist für mich Lebenshilfe. Auch meine Ausbildung und Tätigkeit als Supervisor gibt mir noch andere Möglichkeiten der Seelsorge. Im Übrigen steckt ja schon im Wort Kranken-haus-seelsorge, dass es auch nicht nur um die Kranken geht, sondern auch um die Mitarbeiter mit ihren Sorgen und Nöten.

Welche Rolle hat denn die Kranken­hausseelsorge ganz konkret im Alltag?

Johann Grabenmeier: In den seelsorgerischen Gesprächen dreht sich sehr viel um zurückliegende Traumata, häufig der Verlust nahestehender Menschen oder besondere Belastungen in der Familie. Auch das kann für die Gesundheit gravierende Folgen haben. Anders als die Psychologen haben wir Seelsorger keinen therapeutischen Auftrag, und das Gespräch mit mir wird ja nicht ärztlich verordnet. Aber gerade in diesem Gesprächsangebot, das der Patient freiwillig annehmen kann oder auch nicht, liegt oft eine große Chance, dass sich eine Tür öffnet und ein Prozess angestoßen werden kann, der es dem Patienten ermöglicht, die Last einer chronischen Krankheit anzunehmen und Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. Passender als Seelsorge wäre in meinem Verständnis der Begriff Menschensorge.

Aber wo bleibt der Glaube und Gott?

Johann Grabenmeier: Oft und vor allem in den Erstgesprächen kommt Gott selten vor. Der Krankenhausseelsorge wird manchmal unterstellt, mit frommen Worten daher zu kommen. Der Glaube kann aber eine wichtige Funktion haben, wenn Patienten ihre Krankheit akzeptieren und damit leben lernen. In meinem Verständnis hilft Krankenhausseelsorge dem Menschen, seine eigenen Ressourcen zu entdecken und für die Gestaltung seiner Lebensperspektiven und für die Lösung seiner Probleme zu erschließen. Ein wichtiges Bibelwort ist in dem Zusammenhang das doppelte Gebot der Liebe, das eigentlich ein Dreifachgebot ist: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben (…). Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Dieser Zusatz „wie dich selbst“ öffnet vielen Menschen die Augen. Erst wenn ich für mich gut sorge, kann ich auch für Andere sorgen und in der Sorge für den Anderen Gott lieben. Für sich selbst zu sorgen, ist eine Pflicht, keine Möglichkeit.

Welche Schwerpunkte haben Sie bei Ihrer Tätigkeit gesetzt?

Johann Grabenmeier: 2012 starteten wir mit der Begleitung von Ehrenamtlichen in der Krankenhausseelsorge. Das war damals ein Projekt der Franziskus-Stiftung und des Bistums, bei dem wir von Anfang an mitgemacht haben. Heute haben wir sieben Ehrenamtliche in der Seelsorge, die in Vorbereitungskursen eine gute Ausbildung für ihre Gespräche mit Patienten erhalten. Durch das Ehrenamt erreichen wir viel mehr Menschen auf den Stationen. Die Mentorenschaft für die Ehrenamtlichen hat auch mich persönlich weitergebracht, denn die regelmäßige Besprechung ist auch für mich als „Einzelkämpfer“ eine gute Möglichkeit, außerhalb der kollegialen Supervision meine Praxis und meine Fragen zu reflektieren. Seit 2014 teilen Kommunionhelferinnen die Kommunion sonntags nach dem Gottesdienst aus.

Was werden Sie vermissen?

Johann Grabenmeier: Abschiednehmen ist nicht mein Ding. Ich mache meine Arbeit gerne, und es fällt mir schwer, vieles zum letzten Mal zu tun. Vermissen werde ich die regelmäßigen Kontakte und intensiven Gespräche mit Mitarbeitern und Patienten. Viele habe ich über Jahre begleitet, und manchmal konnte ich etwas beitragen, wenn Menschen aus einer Krise heraus ihrem Leben eine neue Wendung gegeben haben.

Und worauf freuen Sie sich am meisten im Ruhestand?

Johann Grabenmeier: Ich freue mich darauf, mehr Zeit für meine Familie zu haben. Ich bin zum vierten Mal Opa geworden, und mit meiner Frau möchte ich reisen. Über meine Familie und den elterlichen Hof habe ich eine Chronik verfasst, aus der sich ein Buchprojekt über Hofchroniken in Hamm-Bockum-Hövel entwickelt hat, das ich nun fertigstellen will. Und wie das so ist, wenn man in den Ruhestand geht, wurden mir schon Ehrenämter angeboten. Aber da warte ich erst einmal ab. Langeweile werde ich nicht haben, aber mit etwas zeitlichem Abstand könnte ich mir vorstellen, mich an meinem Wohnort Bockum-Hövel in den Besuchsdienst einzubringen.