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Zwischen Adrenalin und Wartezone

Das Team hinter den Stars: Peter Müller (5.v.l.), Leitender Physiotherapeut im St. Josef-Stift, gehörte bei der Leichtathletik-EM in Berlin zum Medizinischen Stab der Ärzte und Physiotherapeuten des DLV.
Für sechs Tage Peter Müllers Arbeitsplatz: Das Behandlungszelt am Einlaufplatz.
Zusammen ein Team: Sportler, Betreuer und Begleiter des deutschen Leichtathletik-Nationalkaders.

Physiotherapeut Peter Müller behandelte Leichtathleten bei der EM in Berlin

11 Sekunden – dann ist alles vorbei, der Wettkampf der 100-Meter-Sprinterinnen schon entschieden. Über Stunden dehnt sich dagegen das Warten auf den Start; der Weg dorthin ist jahrelanges Training. Das Publikum bejubelt die Sieger, doch die harte Arbeit hinter den Kulissen bleibt verborgen. Einer, der weiß, wie es dort zugeht, ist Physiotherapeut Peter Müller, der bei den Europameisterschaften aus Berlin viele erfolgreiche Sportler behandelt hat.

Kugelstoßer David Storl, Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz, Diskuswerfer Christoph Harting und natürlich die Sprinterinnen, allen voran Gina Lückenkemper und Tatjana Pinto: Sie vertrauten in Berlin auf die physiotherapeutische Behandlung von Peter Müller. Noch kurz vor der EM hatte er die beiden schnellen Frauen im St. Josef-Stift behandelt. Die Wettkampftage verbrachte Müller auf dem Einlaufplatz, wo er das Vorbereitungstraining begleitete: „Ich war nicht ein einziges Mal im Stadion, sondern habe die EM auf der großen Videoleinwand miterlebt.“

Adrenalin pur gab es bereits zu Beginn der Europameisterschaften, als Gina Lückenkemper auf der 100-Meter-Strecke zu Silber lief. Als neues, sympathisches Gesicht der deutschen Leichtathletik gefeiert, musste sie nun bis zum letzten Wettkampftag ausharren, ehe sie in der Staffel Sonntagabend noch einmal Edelmetall ins Visier nahm. „Den Spannungsbogen in diesen Tagen hochzuhalten, stellt eine gewisse Belastung dar“, weiß Müller. Die Tage pendeln zwischen täglichem Training und Hotelzimmer-Lethargie, denn ausgedehntes Stadtbummelprogramm und lange Nächte sind absolut tabu.

Noch am Wettkampftag wurde die Aufstellung der Staffel geändert. „Das brachte noch einmal etwas Unruhe, aber der Bundestrainer wollte auf Nummer sicher gehen“, erzählt Müller. So kam Rebekka Haase ins Team, die zwar läuferisch nicht ganz in ihrer Bestform war, aber eine sichere Bank bei den Stabwechseln ist. „Das kann eine gute Zehntelsekunde bringen und auf diese Distanz entscheidend sein.“

Zwischen Vorlauf und Finale dehnten sich noch einmal zwei Stunden des Wartens und Vorbereitens. Auf dem Einlaufplatz war das Staffelquartett Zeuge des spektakulären Sturzes im deutschen Männerstaffelteam. „Der Muskelfaserriss von Schlussläufer Lucas Jakubczyk war für die Männer sehr ärgerlich. Für die Mädchen bedeutete es, sofort weg von der Videoleinwand und wieder auf die eigene Vorbereitung konzentrieren. Alles andere wäre kontraproduktiv gewesen.“ In Einzelrennen sind Gina Lückenkemper, Tatjana Pinto, Rebekka Haase und Lisa-Marie Kwayie Konkurrentinnen, in der Staffel bilden sie ein Team. Auch diese Herausforderung haben sie gemeistert und am Ende Bronze geholt.

„Die EM in Berlin war eine sehr gelungene Veranstaltung: Die Leistung der Athleten, das Event einschließlich der Siegerehrung am Breitscheidplatz und das sehr faire Berliner Publikum – alles passte. Das hat der Leichtathletik gut getan“, meint Müller. Auch der Heimvorteil habe den Medaillenregen etwas ergiebiger ausfallen lassen. In gut zwei Wochen packt Müller schon wieder seine Sachen für „Berlin fliegt“ am Brandenburger Tor und das ISTAF in Berlin. Nächstes großes Ziel: 2019 die WM in Katar. Und natürlich: Olympia 2020 in Tokio.