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Pflegende sind größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen, aber ohne Lobby

Infos zur Abstimmung für eine Interessenvertretung der Pflegenden gab Ludger Risse, Vorsitzender des Pflegerates NRW, aus erster Hand.
Mehr als 100 Pflegende hörten im St. Josef-Stift zu.

Pflegende in NRW stimmen im Oktober über Interessenvertretung ihres Berufsstandes ab

Die Pflege ist in der öffentlichen Wahrnehmung so etwas wie ein Notstandsgebiet geworden. Fachkräftemangel und Pflege unter Zeitdruck dominieren die Schlagzeilen. Übergreifend besteht Konsens: Es muss sich etwas ändern. Doch genau da fängt das Problem an: Wer ist eigentlich zuständig für die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen, zu der allein in Nordrhein-Westfalen rund 200.000 Pflegende gehören. „Die Pflegenden sind eine liebenswerte und gesellschaftlich äußerst wichtige Berufsgruppe. Sie sind aber auch liebenswert unpolitisch und nicht organisiert, so dass sie keinerlei Lobby haben“, meint Ludger Risse.

Der Vorsitzende des Pflegerats NRW will das ändern und rührte am Dienstag im St. Josef-Stift Sendenhorst die Werbetrommel für die Gründung einer Interessensvertretung für die Pflegenden in der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege. Die Landesregierung ist willens, dies zu unterstützen, knüpft das allerdings an die Zustimmung der Pflegenden, die in einer repräsentativen, anonymen Umfrage im Oktober ermittelt werden soll – natürlich auch bei Mitarbeitern in Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Pflegediensten im Kreis Warendorf. Bereits in dieser Woche starteten die ersten Informationsveranstaltungen.

„Ohne die Pflegenden geht es nicht“, konstatierte Risse, dass für beinahe alle Abläufe in der ambulanten und stationären Versorgung von kranken und alten Menschen die Expertise der Pflege erforderlich ist. Alle großen Reformen wie das Pflegeberufereformgesetz, das Pflegestärkungsgesetz und das Krankenhausstrukturgesetz sind ohne stimmberechtigte Beteiligung der Pflegenden auf den Weg gebracht worden. Die anderen Mitspieler wie Ärzte, Patienten, Krankenkassen und Krankenhäuser zeichneten sich durch einen hohen Organisationsgrad mit entsprechenden politischen Einflussmöglichkeiten aus.

Risse erhofft sich, dass der Pflegeberuf durch eine professionalisierte Interessenvertretung wieder an Reputation gewinnt. „Derzeit“, so seine Rechnung, „müsste jeder vierte bis fünfte Schulabgänger eine Pflegeausbildung beginnen, um den eklatanten Fachkräftemangel in der Pflege zu kompensieren.“

Bei der Umfrage im Oktober geht es auch um die Frage, ob eine Interessenvertretung in Form einer Pflegekammer oder einem Pflegering nach dem Bayrischen Modell erfolgen soll. Risse machte keinen Hehl daraus, dass er eine Pflegekammer bevorzuge, um die Rahmenbedingungen professioneller Pflege, Fragen der Aus- und Weiterbildung und die politische Interessenvertretung zu gestalten. Eine Pflegekammer könnte durch eine Pflichtmitgliedschaft aller berufstätigen Pflegenden mehr Schlagkraft entfalten, wäre demokratisch gewählt und hätte durch Mitgliederbeiträge eine gesicherte finanzielle Basis. Auch die Einbindung in Gremien auf Landes-, Bundes- und europäischer Ebene sei gewährleistet. Das „bayrische Modell“ basiert dagegen auf freiwilliger Mitgliedschaft mit freiwilligen Beiträgen und steht prinzipiell auch Gewerkschaften oder Arbeitgeberorganisationen offen.

Als Gastgeber im St. Josef-Stift ermutigte Geschäftsführer Dr. Ansgar Klemann die mehr als 100 Zuhörer, die die zwei Informationsveranstaltungen besuchten: „Machen Sie bei der Umfrage mit! Es ist der richtige Weg. Nur dann kann sich etwas ändern.“