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Wenn Schmerz zur Krankheit wird

Die multimodale Schmerztherapie erläuterte Chefarzt Herbert Thier mit weiteren Referenten aus dem multiprofessionellen Team.

Patientenakademie der Schmerzklinik: Ein besseres Leben führen mit chronischen Schmerzen

Schmerzen sind unangenehm und doch sind sie lebenswichtig, weil sie ein Warnsignal für Körperschädigungen sind. Wenn Schmerzen länger als drei bis sechs Monate anhalten und ihre ursprünglich warnende Funktion verloren haben, entwickeln sie sich  zu einem eigenständigen komplexen Krankheitsbild. Wie Betroffene Strategien erarbeiten können, um ein besseres Leben mit chronischen Schmerzen zu führen, darum geht es bei der multimodalen Schmerztherapie, die ein Referententeam der Schmerzklinik für Gelenk- und Rückenbeschwerden im St. Josef-Stift Sendenhorst in der Patientenakademie vorstellte.

Bundesweit leiden etwa 2,2 Millionen Menschen unter chronischen Schmerzen, die mit einer großen Beeinträchtigung im Alltag einhergehen. „Eine Chronifizierung der Schmerzen wird begünstigt durch schmerzbezogene, katastrophisierende Gedanken, negative Gefühle, Vermeidungsverhalten und Rückzug sowie chronische Belastungssituationen im Beruf wie im Privatleben“, nannte Chefarzt Herbert Thier einige Risikofaktoren. Auch die eigene Lebensgeschichte, die private Situation und die Reaktionen im Umfeld des Betroffenen beeinflussen dessen Schmerzempfinden. „Wir sehen in unserer Klinik sehr viele ,Durchhalter‘“, so Herbert Thier, also Menschen, die trotz ihrer Schmerzen so lange wie möglich funktionieren wollen. Im St. Josef-Stift werden speziell Patienten behandelt mit wiederkehrenden und chronischen Rückenschmerzen, Schmerzen des Bewegungsapparates, wie z.B. Arthroseschmerzen, und Fibromyalgie.

Multimodale Schmerztherapie: Hilfe von einem interdisziplinären Expertenteam

Ziel der Behandlung sei es, mit dem Patienten eine Verbesserung der Funktion auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene zu erreichen und die Eigenkompetenz des Patienten im Umgang mit seiner Schmerzerkrankung zu stärken. Über diesen Weg sei langfristig eine Schmerzlinderung möglich. Chronische Schmerzen sind ein multidimensionales Phänomen, das allein mit Spritzen und Tabletten nur sehr selten behandelt werden kann. Die multimodale Schmerztherapie setzt somit auf verschiedenen Ebenen an; der Patient wird dabei von einem Expertenteam aus Ärzten, Psychologen, Physio-, Ergotherapeuten und spezialisierten Pflegekräften begleitet.

Bausteine der Therapie sind ärztliche Behandlung und Beratung, medikamentöse Schmerztherapie, aktivierende Physiotherapie, medizinisches Gerätetraining, Nordic Walking, Kreativtherapie, Arbeitsplatztraining, Entspannungsverfahren, psychologische Begleitung in Einzel- und Gruppengesprächen sowie Patientenseminare zu chronischen Schmerzen, Medikamenten und Stressbewältigung.

Die multimodale Schmerztherapie im St. Josef-Stift erfolgt über zweieinhalb Wochen im stationären Rahmen in festen Gruppen von maximal acht Patienten. Voraussetzung ist, dass Patienten die Bereitschaft haben, aktiv bei den Therapien mitzuwirken und ihr Verhalten langfristig zu ändern. Statt passiven Therapien wie Fango und Massage setzt die multimodale Schmerztherapie auf aktivierende Therapie-Elemente, die es dem Patienten später ermöglichen, selbst etwas gegen seine Schmerzen zu unternehmen und sie lindernd zu beeinflussen.

Psychologische Betreuung für chronische Schmerzpatienten

Welche Faktoren beeinflussen meinen Schmerz? Diese Frage stehe im Mittelpunkt der psychologischen Betreuung, die Psychologe Alexander Tombrink vorstellte. In den Blick kämen dabei private und berufliche Lebensumstände, Frustrationen oder wirtschaftlicher Druck. Auch die Erwartungen an die Therapie seien entscheidend, denn: „Wir können Ihnen zwar viele Anregungen geben, aber das Wunder von Sendenhorst können wir nicht vollbringen.“ Ziel sei vielmehr, dass der Patient eine neue positive Sichtweise gewinne, sich besser fühle und seine Selbstansprüche und sein Selbstbild überdenkt. Ein wesentlicher Bestandteil der Therapie sei auch der Transfer der neu gewonnenen Ansichten in den Alltag. „Erholung ist zwar wichtig, ist aber im Effizienzzeitalter oft nicht angesagt“, erklärte Tombrink. Ein Ausloten der Möglichkeiten sei somit wichtig, um für sich langfristig eine realistische Perspektive zu finden.

Bewegungstherapie in der multimodalen Schmerztherapie

Eine zweite wichtige Säule der multimodalen Schmerztherapie ist die Bewegungstherapie. Im Zentrum steht dabei der Abbau von Bewegungsängsten, erläuterte Physiotherapeut Dominik Wierbrügge. Elemente der Bewegungstherapie sind Nordic Walking, Einzelgymnastik, Krafttraining für ein muskuläres Gleichgewicht und aktive Physiotherapie. Mit diesen Elementen können Ausdauer, Körperwahrnehmung, Koordination und Körperhaltung trainiert werden. Wichtig sei dabei, kleine Ziele zu setzen, die mit einer regelmäßigen Erfolgskontrolle weiter motivieren. Wierbrügge: „Im Fokus steht für uns die Muskulatur, die Kraftausdauer für den ganzen Tag gibt.“ Bei der individuellen Einzeltherapie erhalten die Patienten auch spezielle Übungen, die sie später zu Hause weiterführen können. Wierbrügge: „Wir legen beim stationären Aufenthalt den Grundstein. Wichtig ist, dass der Patient zu Hause weitermacht.“

Der Weg zur multimodalen Schmerztherapie

Für die Aufnahme zur multimodalen Schmerztherapie geben die Krankenkassen ein fest definiertes Aufnahmeverfahren vor, dass Schmerzkrankenpfleger (Pain Nurse) Nils Krüger erläuterte. Beim ersten telefonischen Kontakt wird dem Patient das Konzept erläutert. Dabei werde auch abgeklärt, ob der aktivierende Therapieansatz zur Erwartungshaltung des Patienten passt. Krüger: „Uns ist wichtig, dass Ihre Erwartungshaltung erfüllt wird, damit es keine unnötige Enttäuschung gibt.“ Im zweiten Schritt erfolgt eine Voruntersuchung (Pre-Assessment), an der bereits Therapeuten der unterschiedlichen Bereiche beteiligt sind. Etwa drei Wochen vor der stationären Aufnahme werde der aktuelle Schmerzbefund mit dem so genannten Deutschen Schmerzfragebogen erhoben.

  • Die nächste Patientenakademie zum Thema Multimodale Schmerztherapie findet am 7. November 2018 um 16 Uhr statt. Anmeldung unter Telefon 02526 / 300-6609