Die Kämpferin




Nadine Jackisch überlebte als Kind Leukämie und unterstützt eine Kampagne vom FC Schalke 04 zum 50. Geburtstag der Deutschen Krebshilfe
Jener Tag im September 1997 stellte Nadine Jackischs Leben auf den Kopf. Schon seit längerem hatte die damals 13-jährige Ahlenerin unerklärliche Symptome. „Beim Treppensteigen war ich fertig wie ein Brötchen.“ Ein schwarzer Fleck im Auge alarmierte sie schließlich, nach der Schule ging sie zum Augenarzt. Als der eine Blutung hinter dem Auge feststellte, ging alles ganz schnell: Sofort ins Ahlener Krankenhaus in die „Röhre“, wo sich der Anfangsverdacht bestätigte. Noch am selben Nachmittag folgte die Überweisung in die Uniklinik Münster. Nach einer Blutuntersuchung hieß es: Direkt da bleiben für die Behandlung einer akuten myeloischen Leukämie, die aggressivste Blutkrebsform, die eigentlich Erwachsene betrifft.
„Für meinen Vater war es ein Schock. Ich habe ihn zum ersten Mal in meinem Leben weinen sehen“, erinnert sich die heute 40-Jährige, die als Gesundheits- und Krankenpflegerin auf der Station B2 im St. Josef-Stift Sendenhorst arbeitet. Ihr strahlendes Lachen, ihr Humor und die grundoptimistische Einstellung haben ihr vermutlich das Leben gerettet, denn aufgeben war für sie vor 27 Jahren keine Option: „Papa, wir schaffen das schon!“, munterte sie ihren Vater damals auf. „Als Kind denkst du nicht ans Sterben. Für Eltern und die Erwachsenen drum herum ist die Diagnose viel schlimmer. Sie fallen in ein Loch und müssen aufgefangen werden.“
Dann folgten vier Wochen im UKM: Chemotherapie und völlige Abschottung, weil das Immunsystem vollkommen am Boden lag. „Das schlimmste war für mich, als meine langen blonden Haare ausfielen. Ich habe 10 Kilogramm abgenommen. Du gehst als anderer Mensch nach Hause“, erinnert sich Nadine Jackisch. Drei weitere Chemotherapieblöcke folgten, ungezählte Bestrahlungen und Chemospritzen, die zu Hause verabreicht werden mussten.
Auch für ihre Klasse und den Freundeskreis war es ein Schock, dass Nadine Jackisch von einem Tag auf den anderen aus dem Leben gerissen worden war. „Damals hatten wir ja noch keine Handys, also habe ich Briefe an meine Klasse geschrieben.“ Die Botschaft: Ich bin noch wie immer, behandelt mich gleich und fragt mich! Die Mitschüler schrieben fleißig zurück, und so konnten Berührungsängste abgebaut werden. Über die eineinhalb Jahre dauernde Krebstherapie mit mehreren Krankenhausaufenthalten hielt Nadine Jackisch den Anschluss und schaffte auch ihren Schulabschluss.
Neben der Unterstützung von Familie und Freunden bildeten auch die Musik der Back Street Boys, die Serie „Gute Zeiten schlechte Zeiten“ und ihre Leidenschaft für den FC Schalke 04 den Soundtrack für diese dunkle Zeit. „Das hat mir da durchgeholfen“, beschreibt Nadine Jackisch das Lebensgefühl jener Jahre. In dieser Zeit wird sie auf den Verein „Herzenswünsche“ aufmerksam, der schwerstkranken Kindern einen Lebenstraum erfüllt, ihnen Hoffnung und positive Gefühle gibt.
Für Nadine Jackisch ging damals kurz nach ihrer überstandenen Krankheit mit einem Besuch auf Schalke ein Herzenswunsch in Erfüllung: Gerd Häcke hatte den Besuch organisiert, bei dem Nadine Jackisch ihre Fußball-Idole hautnah miterlebte: Manager Rudi Assauer, Trainer Huub Stevens, Olaf Thon, Emile Mpenza, Gerald Asamoah und Ebbe Sand – alle nahmen sich viel Zeit. Ein Trikot und ein Ball mit allen Unterschriften erinnern sie an das Erlebnis. Unvergessen ist ihr ein Satz von Rudi Assauer: „Ich wollte damals die Schule schmeißen. Rudi Assauer sagte mir: ,Schalker kämpfen und geben nicht auf.‘ Er versprach mir, mich wieder einzuladen, wenn ich die Schule schaffe.“ Schalker halten ihr Versprechen, und so machte Nadine Jackisch ihren Schulabschluss, und auch Rudi Assauer hielt Wort.
Die Jahre der Krankheit waren für Nadine Jackisch prägend. Bis heute hat sie Kontakt zu ihrer damaligen Ärztin und zu Gerd Häcke. Er begleitete sie jetzt auch bei einer ganz besonderen Mission: Anlässlich des 50-jährigen Bestehens der Deutschen Krebshilfe läuft das Schalker Team bei seinem Spiel gegen SpVgg Greuther Fürth am 26. Oktober 2024 mit einem Sondertrikot auf und knüpft damit an das Jahr 1978 an. Damals war Schalke der erste Bundesligaverein, der auf dem Platz mit seinen Trikots ein Zeichen für die 1974 gegründete Krebshilfe setzte. Rund 50 Jahre später erzählt der heutige Fußball-Zweitligist in seinem „Schalke TV“ auf YouTube die besondere Geschichte von Nadine Jackisch, die gekämpft hat, die Kraft aus dem Schalker Zusammenhalt gezogen hat und am Ende den Kampf gegen ihre Krankheit gewonnen hat.
Die Dreharbeiten u.a. an ihrem Arbeitsplatz im St. Josef-Stift waren eine Zeitreise zurück, die viele Emotionen weckte. Die Fußballbegeisterung ist zwar inzwischen etwas abgeflaut, aber Schalker stehen zusammen. Nadine Jackisch: „Mir ist wichtig, mit meiner Geschichte anderen Mut zu machen und Hoffnung zu geben, um weiter zu kämpfen.“
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