NachrichtenDirektAnz

Rheuma-Patiententag 2018: Experten und Selbsthilfe informierten

Prof. Dr. Michael Hammer führte durch das Programm.
Experten aus Medizin, Therapie und Ernährungsberatung gehörten zum Referententeam.
Gäste aus dem ganzen Münsterland waren nach Sendenhorst gekommen.
Infostand Deutsche Vereinigung Morbus Bechterew
Der Bundesverband Kinderrheuma e.V. informierte.
Dr. Klaus Schroeder, niedergelassener Rheumatologe
Hautspezialist PD Dr. Dr. Jan Ehrchen, UKM
Ruth Koch, Leitung Ergotherapie St. Josef-Stift
Prof. Dr. Heidemarie Becker, UKM
M.Sc. Alexander Tombrink, Psychologischer Dienst St. Josef-Stift
Kinderrheumatologe Sebastian Schua, St. Josef-Stift
Peter Müller, Leitender Physiotherapeut St. Josef-Stift
Dr. Matthias Leunert, Klinik für Wirbelsäulenchirurgie, St. Josef-Stift
Birgit Schlüter, Diätassistentin St. Josef-Stift
Dr. Christoph Rokahr, Klinik für Rheumaorthopädie, St. Josef-Stift
Infostand der Deutschen Rheuma-Liga

Zehn Referenten bei Veranstaltung des Kooperativen Rheumazentrums Münsterland e.V. im Stift

Zehn Rheuma-Experten – zehn spannende Vorträge: Der Rheumapatiententag des Kooperativen Rheumazentrums Münsterland e.V. fand in diesem Jahr im St. Josef-Stift Sendenhorst statt und zog am 5. Mai 2018 viele interessierte Besucher an. Neues aus Therapie und Diagnostik von Rheuma sowie Info-Stände von Selbsthilfegruppen sind die Zutaten für diese mittlerweile fest etablierte Patientenveranstaltung. Für Moderator Prof. Dr. Michael Hammer war es ein Heimspiel: Der Vorsitzende des Rheumazentrums Münsterland ist Rheumatologie-Chefarzt im St. Josef-Stift.

Januskinasehemmer - eine neue Waffe im Arsenal gegen rheumatoide Arthritis

Traditioneller Start: Neues über Rheuma-Basismedikamente. Die klassischen, Jahrzehnte bewährten Basismedikamente haben vor zehn Jahren Gesellschaft bekommen durch die sehr teuren Biologicals, die gegen Botenstoffe wirken, die die rheumatischen Entzündungsprozesse in Gang setzen. Der niedergelassene Rheumatologe Dr. Klaus Schroeder erklärte, wie die allerneueste Medikamentengeneration, die so genannten Januskinasehemmer, wirken: Sie greifen innerhalb der Zelle in den Entzündungsprozess ein und können – im Gegensatz zu den mit der Spritze verabreichten Biologicals – in Tablettenform genommen werden. Fazit: „Januskinasehemmer sind eine erfreuliche Ergänzung und neue Waffe im Arsenal gegen rheumatoide Arthritis und hochwirksam wie Biologika.“ Nebenwirkungen, das Voruntersuchungs- und Überwachungsprogramm sowie der Preis seien vergleichbar mit den Biologika.

Kein harmloser "Schmetterling"

Eine Gesichtsrötung in Schmetterlingsform kann viele Ursachen haben: Manchmal ist es eine Allergie, zu viel Sonne oder Kosmetika, oder es handelt sich um eine Rosacea. Wenn es aber die rheumatische Autoimmunerkrankung  Lupus erythematodes ist, „dann ist das ein Fall für den Rheumatologen!“, appellierte Privatdozent Dr. Dr. Jan Ehrchen von der Hautklinik der Uniklinik Münster. In der Hälfte der Fälle auffälliger Gesichtsrötungen werde der echte „Lupus“ falsch diagnostiziert – was fatal für die Behandlung sei.

"Auch Delegieren von Tätigkeiten ist Gelenkschutz"

Mit Schienen und Hilfsmitteln zum Gelenkschutz lassen sich Fehlbelastungen und Fehlstellungen der Gelenke vermeiden oder verzögern. Dazu gehöre aber auch, Dauerbelastungen wie beim Tippen oder Bügeln zu vermeiden. „Es geht darum, Lebensqualität und Selbstständigkeit im Alltag zu erhalten“, so Ruth Koch, Leitende Ergotherapeutin im St. Josef-Stift.  Mit einem Augenzwinkern empfahl sie: „Auch das Delegieren von Tätigkeiten ist eine Gelenkschutzmaßnahme.“

Fieber - ist es ein Infekt oder Rheuma?

Rheumapatienten haben ein erhöhtes Infektionsrisiko. Somit kann Fieber immer ein Warnzeichen für einen Infekt sein, kann aber auch durch die rheumatische Grunderkrankung hervorgerufen werden. Deshalb riet Prof. Dr. Heidemarie Becker, Leiterin der Rheuma-Ambulanz am UKM, immer zu klären: Ist ein Antibiotikum gegen den Infekt ratsam, oder muss die Rheumatherapie geändert werden?

Rheuma kann auf die Stimmung drücken

Rheuma kann auf die Stimmung drücken. Aber: Eine depressive Verstimmung ist noch keine behandlungsbedürftige Depression. Der Psychologe M.Sc. Alexander Tombrink, St. Josef-Stift, ermutigte Betroffene, Vertrauen in die medikamentöse Rheuma-Behandlung zu entwickeln, sich mit Stressmanagement und Entspannungstraining zu befassen, mit Physio- und Bewegungstraining und Ressourcen zu aktivieren. „Das bedeutet auch, sich nicht zu viel zu schonen.“ Oft sei die Erfahrung, die Rheuma-Schmerzen selbstwirksam mildern zu können, wirksamer als die Einnahme von Psychopharmaka.

Schäden an unreifen Gelenken können fatale Folgen haben

Auch Kinder können Rheuma haben. Die frühe Diagnose ist bei Kindern besonders wichtig: „Schäden an den unreifen Gelenken können fatale Folgen für die Kinder haben“, verdeutlichte der Kinderrheumatologe Sebastian Schua, St. Josef-Stift. Deshalb müssten Kinder auch anders behandelt werden als erwachsene Rheumapatienten. Immerhin sei es mit modernen Therapien möglich, dass knapp die Hälfte der betroffenen Kinder im Erwachsenenalter ihre Rheumaerkrankung verlieren.

Bewegung schmiert und ernährt das Gelenk

Auch wenn die Gelenke entzündet sind: Belastungsarme und schmerzfreie Bewegung tut den Gelenken gut und trainiert auch Herz und Lunge. „Bewegung regt die Gelenkkapsel durch Druck und Zug an, Gelenkschmiere zu produzieren. Gelenkschmiere ernährt Knorpel und Gelenkinnenhaut und hemmt entzündungsfördernde Stoffe“, erklärte Peter Müller, Leitender Physiotherapeut im St. Josef-Stift Sendenhorst. Besonders geeignet sind zum Beispiel Schwimmen, Radfahren, Nordic Walking, Wandern und Tanzen. Die Schmerzgrenze sollte immer beachtet werden.

"Vor einer Rücken-OP lässt sich oft mit einfachen Mitteln Großes bewirken"

Die Facettengelenke der Wirbelsäule, die für Beweglichkeit zwischen den Wirbelkörpern sorgen, können bei zunehmendem Verschleiß zu starken Schmerzen führen. Wirbelsäulenchirurg Dr. Matthias Leunert, St. Josef-Stift Sendenhorst, erläuterte, wie mit Infiltrationen in einzelne Facettengelenke die Schmerzquelle exakt lokalisiert werden kann. Mit einer Vereisung der gereizten Nerven erreichten viele Patienten über mehrere Monate bis hin zu einigen Jahren Schmerzfreiheit. Leunert: „Bevor eine Operation notwendig wird, lässt sich häufig mit einfachen Mitteln Großes bewirken.“

Es gibt zwar keine Rheuma-Diät, aber Ernährungsumstellung kann helfen

Zwischen der Ernährung und einer rheumatischen Erkrankung besteht oft ein Zusammenhang. Aber: „Es gibt nicht die Diät, die Sie von Rheuma heilen kann. Aber Sie können mit einer Ernährungsumstellung den Körper positiv beeinflussen und unterstützen, dass zum Beispiel Rheumaschübe seltener oder weniger heftig sind“, so Diätassistentin Birgit Schlüter, St. Josef-Stift Sendenhorst. Ihr Tipp: Entzündungshemmende Lebensmittel bevorzugen, wie zum Beispiel Omega-3-Fettsäuren, die in fettem Fisch enthalten sind. Diese Fettsäuren sind ein natürlicher Gegenspieler von Arachidonsäure, die etwa in Fleisch enthalten ist und deshalb nur maßvoll genossen werden sollte. Viel Gemüse ist ebenfalls empfehlenswert, Obst – wegen des hohen Fruchtzuckergehalts – dagegen in Maßen. Denn: Auch Zucker heizt Entzündungsprozesse an, da Zucker die körpereigene Produktion von Arachidonsäure fördert.

Medikamente stehen an 1. Stelle bei Rheuma in den Zehen

Schmerzende Zehen bei Rheuma – was kann man tun? Rheumaorthopäde Dr. Christoph Rokahr, St. Josef-Stift Sendenhorst, wusste die Antwort: „Die medikamentöse Therapie der rheumatischen Grunderkrankung steht an zentraler Position.“ Unterstützt werden könne der rheumatisch veränderte Fuß durch Einlagen, „die passen müssen, sonst nutzen sie nichts“. Auch gezielte Injektionen ins Gelenk, die die Entzündung lokal bekämpfen, seien möglich, solange das Gelenk noch intakt ist. Ist die Gelenkzerstörung weit fortgeschritten, sei eine Operation unausweichlich. Dabei werden die schmerzenden zerstörten Zehgelenke entfernt, bei weitgehendem Erhalt der Fußfunktion.

Infostände der Deutschen Vereinigung Morbus Bechterew, der Rheuma-Liga, des Bundesverbandes Kinderrheuma und der Ergotherapie des St. Josef-Stifts rundeten das Angebot ab. Außerdem bestand in der Pause Gelegenheit, mit den Experten ins Gespräch zu kommen. Die nächste Rheuma-Patientenveranstaltung des Kooperativen Rheumazentrums Münsterland findet 2019 in Münster statt.